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Abenteuer Melbourne
Die Wetterdaten der Wochen vor meiner Reise habe ich noch in Erinnerung. So wundert es mich nicht, als wir während des Fluges über dem australischen Kontinent meistens Wolken sehen. Der Flughafen Melbourne’s ist noch ganz naß vom letzten Regenfall. Ich fahre mit einem Shuttle in die Stadt bis zu ‚Spencer Station‘. Von dort sind es nur wenige Minuten zu Fuß bis zur Jugendherberge und ich kann meine ersten australischen Dollars in einem kleinen Lebensmittelladen ausgeben und bald danach auch vom ersten Regenschauer kosten.
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 | Den nächsten Tag verbringe ich damit, die Vorbereitungen für meine Radreise zu vollenden. Brennstoff (heißt hier nicht ‚White gas‘ sondern ‚Shellite‘), Batterien, Kartenmaterial, Sonnenschutz und Lebensmittel benötige ich noch. Entsprechende Ausrüstungsläden finde ich in ‚Elizabeth-‘ und ‚Little Bourke Street‘. In der Jugendherberge lerne ich interessante Leute aus Neuseeland, England, Taiwan, Japan, Niederlande und natürlich auch aus Deutschland kennen. Nachmittags scheint für einige Stunden die Sonne und ich bekomme langsam Lust auf die bevorstehende Tour.
Heute, am Mittwoch, den 14. November soll es endlich los gehen. Die ersten Fahrradkilometer auf einem für mich neuen Kontinent warten. In einem Melbourner Fahrradladen und in der Jugendherberge hatte ich mir jeweils bestätigen lassen, daß der ‚Princes Freeway‘ nach Geelong ohne Probleme per Fahrrad zu befahren sei.
Ich packe meine Sachen und befinde mich schon wenige Augenblicke später auf einer stark befahrenen, mehrspurigen Straße. Es ist bewölkt, ich erwarte keine Sehenswürdigkeiten, möchte vielmehr fehlende Trainingskilometer abstrampeln bevor es auf der hügeligen Küstenstraße dann ernst wird. Die Sache ist gefährlich, vergleichbar mit dem Radeln auf dem Standstreifen einer Autobahn.
Nach einigen Kilometern sehe ich die große Westgate-Bridge, Kameras beobachten den Verkehr. Kurz vor der Brücke werde ich schon von zwei für die Verkehrssicherheit zuständigen Bediensteten erwartet, die mir mitteilen, daß die Straße nicht per Rad befahren werden darf. Ich versichere, keine entsprechenden Schilder gesehen zu haben und ein Blick in meine 1:850.000er Karte läßt die beiden zu dem Entschluß kommen, mich mit ihrem Kleinlaster ca. 15km weiter zu befördern, wo das Radeln dann wieder legal sein soll.
Auf dem Standstreifen des Freeways bepacke ich wieder mein Rad und trete in die Pedale. Leider komme ich schon bald in einen Baustellenbereich, den Standstreifen gibt es nicht mehr und ich reihe mich auf der linken Fahrbahn in den fließenden Verkehr ein. Mein linkes Auge beobachtet ständig den linken Fahrbahnrand – eine 1m hohe Betonbarriere, keine Chance für ein Ausweichmanöver – und das rechte Auge prüft ständig im Rückspiegel, ob die überholenden Fahrzeuge mich rechtzeitig wahrnehmen und auf die Überholspur wechseln.
Es ist schlimm! Dann eine Lücke in der Barriere, ich wechsel schnell nach links auf eine frisch asphaltierte Spur. Endlich fühle ich mich sicher. Kurze Zeit später sehe ich im Rückspiegel eine Art Streifenwagen näher kommen. Aus dem fahrenden Auto machen mich die Uniformierten darauf aufmerksam, daß diese Spur noch nicht für den Verkehr freigegeben ist. „Schön für einen Radfahrer!“ denke ich, aber man schickt mich wieder zurück auf den Freeway. Das Argument ‚Sicherheit‘ und auch der Hinweis auf den fehlenden Standstreifen ziehen nicht.
Ich hätte nicht erwartet, in Australien auf solche Leute zu treffen, die unsinnige und in dem Fall höchst gefährliche Regeln durchsetzen. Aber Regeln müssen scheinbar, wenn sie einmal da sind, durchgesetzt werden. Soviel geistige Unbeweglichkeit und blinde Obrigkeitshörigkeit hätte ich nur den dafür bekannten Deutschen und US-Amerikanern zugetraut. Mit unendlicher Wut im Bauch nutze ich die nächste Lücke in der Betonbarriere und erhöhe, so wie es mir gerade verordnet wurde, die australische Verkehrssicherheit, indem ich auf der linken Spur eines dicht befahrenen, zweispurigen Freeways mit 25km/h ein immerhin nicht stehendes Hindernis bilde.
Die Rettung kommt irgendwann in Form eines Schildes, das alle nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmer vom Freeway verbannt. Die Abfahrt mündet in eine Querstraße und mangels Wegweiser entscheide ich mich spontan, rechts abzubiegen. 500m weiter entdecke ich dann kleine blaue Schildchen neben der Straße, die einen Radfahrer zeigen.
Geschafft! Kein Freeway mehr, dafür eine ruhige Nebenstraße mit Wegweisern. Farmland - die Orte nennen sich ‚Little River‘ und ‚Lara‘. Kurz vor Geelong werde ich wieder auf den Freeway geleitet, der die Stadt durchquert. Ich bleibe zur Erholung 1h in der Touristeninfo, fahre dann 10km lang durch die Stadt und danach 20 hügelige Kilometer auf einer etwas ruhigeren Straße nach Torquay.
Dort sehe ich zum erstenmal das Meer. Auf dem Campingplatz muß ich zu meiner Enttäuschung feststellen, daß australische Plätze im Vergleich zu neuseeländischen sehr sparsam ausgestattet, dafür aber viel teurer sind. Trotzdem bin ich froh, als ich auf der Wiese sitze und mein Nudelgericht koche, daß dieser Tag ein glückliches Ende gefunden hat. Nervenaufreibender hätte die Tour kaum beginnen können. Ich krieche in meinen Schlafsack und verbringe die erste Nacht in meinem neuen Zelt.
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http://www.koczet.de Autor: Michael Koczet, Kuthsweg 47, 40231 Düsseldorf Kontakt: travelpix1@koczet.de
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Hongkong |
Melbourne |
Torquay, Lorne |
Otway N.P., P.Campbell N.P. |
P.Campbell N.P., Warrnam. |
Warrnam., Grampians N.P. |
Grampians N.P., Horsham |
West Macdonnell N.P. |
West Macdonnell N.P. |
Alice Springs, Uluru N.P. |
Uluru N.P., Watarrka N.P. |
Watarrka, West MacDonn. |
Coober Pedy, Quorn |
Flinders Ranges, Adelaide |
Kangaroo Island |
Kangaroo Island |
Kangaroo Island, Adelaide |
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